Deutsche Jugend Einzelmeisterschaft in Willingen – das wichtigste und gleichzeitig das meist gefürchtete Turnier für die jungen Schachspieler in Deutschland. Nicht nur weil man seine Spielstärke auf der Bundesebene unter Beweis stellen muss, sondern weil es meistens unberechenbar ist. Die besten Kinder des Landes kämpfen um die Titel: Die schwächeren wachsen über sich hinaus, bei den stärkeren geht es um die Ehre. Etwa 1000 Spieler kämpfen sieben Tage lang, alle Partien werden live übertragen und kommentiert – der Druck ist enorm, auch für die Vize-Europameisterin und stärkste Spielerin ihrer Altersklasse der unter 12-jährigen Mädchen Lilian Schirmbeck aus Halle, die als einzige der Teilnehmerinnen den Titel „Woman Candidate Master“ trägt. Gerade vor zwei Wochen steigerte sie durch einen Turniersieg in Schalksmühle ihre Wertungszahl auf über 1900 Punkte und führt dadurch das Teilnehmerfeld mit knapp 200 Punkten Vorsprung an. Sie ist die große Favoritin und geht selbstbewusst in das Turnier. Es ist für sie nach 2023 und 2024 bereits der dritte Anlauf mit einer realen Chance auf den Titel.
Das Turnier läuft gut, keine einzige Niederlage muss die deutsche Kaderspielerin im Turnierverlauf einstecken. Viermal reicht es allerdings nur zu einem Remis. Vor der letzten Runde liegt Lily punktgleich mit ihrer Dauerkonkurrentin, der Ukrainerin Daria Shynkar aus Paderborn. Alle an der Spitze hatten schon gegeneinander gespielt, der Kampf um den Titel ist ein Fernduell. Dass bei der letzten Partie nur ein Sieg zum Titelgewinn reichen würde, war allen klar. Lily wählt mit Weiß die katalanische Eröffnung und spielt riskant und voll auf Sieg, ihre Gegnerin Isabella Artemenko vom FC Bayern München versucht Lilys Angriff auf ihre Königsstellung standzuhalten, kann das Matt aber letztlich nur durch entscheidenden Materialverlust abwehren. Nach 4 Stunden Spielzeit die Erleichterung: Lily gewinnt! Aber auch Daria siegt gegen Tiffany Tu von den Schachfreunden Kornwestheim. Nun sind beide mit 7 Punkten geteilte Erste. Es kann aber nur einen Sieger geben und in diesem Fall entscheidet im Schach die Buchholzwertung (die Summe der Punkte aller zugelosten Gegner des jeweiligen Spielers) – ein unvollkommenes System, welches auch immer wieder mit dem Argument kritisiert wird, dass man als Spieler gar keinen Einfluss darauf hat, wen man zugelost bekommt, aber am Ende die Performance der Gegner über die eigene Platzierung entscheidet. Dieses mal schlug das Schicksal hart zu. Darias Gegnerinnen holten in der letzten Runde einen halben Punkt mehr als Lilys. Dadurch überholte Daria Lily in der Feinwertung und wurde mit einem halben Buchholzpunkt Abstand (47 zu 47,5) Deutsche Meisterin. Für Lily blieb nur der Titel „Deutsche Vize-Meisterin“. Ein toller Erfolg, doch sie kann sich darüber nicht so richtig freuen. „Ich habe dafür hart trainiert und alles gegeben. Natürlich bin ich traurig, so knapp am Titel vorbei geschrammt zu sein. Aber viel Zeit zum Trauern habe ich eh nicht. Die Meisterschaftssaison hat gerade erst begonnen.“, so Lily. In wenigen Tagen spielt die Haller Nachwuchsspielerin für das NRW-Team bei der Deutschen-Frauen-Mannschaftsmeisterschaft der Landesverbände in Braunfels, danach bei der Jugend-Team-EM in Slowenien zusammen mit Tiffany Tu, Blitz- und Rapid-EM in Griechenland sowie bei der klassischen EM in Montenegro.
Dank gilt unseren Trainern WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky, Andre Wolff und ganz besonders Markus Schuirmbeck und FM Tobias Vöge (der adhoc an manchen Tagen eingesprungen ist) für Lilys Vorbereitung bei der DJEM. Grüße nach Indonesien!