Nach der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft fand auch das vierte und letzte Qualifikationsturnier zur deutschen Amateurschachmeisterschaft im Stern-Hotel Willingen statt. Da wir die Örtlichkeit schon gut kannten, lag es nahe wieder zu kommen und bei exzellenten Spielbedingungen am Turnier teilzunehmen. Gespielt wurde in 8 Gruppen (A-G), somit bekam man in jeder Runde einen Gegner, der ungefähr der eigenen Wertungszahl entsprach. Lily war in der untersten Gruppe einsortiert. Als Turnierwertungszahl wurde irgendein alter Stand genommen, daher stand sie noch mit 791 auf dem Papier (ihre Einstands-DWZ). Dies war aber vielleicht sogar ein Vorteil, da sie von einigen ihrer Gegner zumindest in den ersten Runden unterschätzt wurde. Lily startete mit einem Sieg, als sie, nachdem sie ein ziemlich kritisches Mittelspiel überstanden hatte, im Endspiel den Gewinnzug fand.

1. Runde: Lilys Gegner spielte Kf4, der Zug verliert die Partie. Nach e5+ wird der Läufertausch erzwungen und der Weiße König steht zu schlecht, als dass er die Bauern am Damenflügel noch verteidigen könnte.

Blick in der Turniersaal während der ersten Runde. Ich saß auch irgendwo in der Mitte.

2. Runde: Schwarz hatte geopfert mit der Hoffnung auf einen starken Angriff oder zumindest Dauerschach. Lily verteidigte aber gut und fand in dieser Stellung den besten Zug Te2 (Auch Stockfishs erste Wahl :-)), der forciert (Th2, Le2) die Dame fängt.

Foto während der dritten Runde: Angekommen an Brett 1!

Nachdem bei den ersten drei Partien drei Siege heraussprangen, war die Euphorie groß. Sollte es wirklich zu einem Platz beim Finale in Magdeburg reichen? In Lilys Gruppe spielten 55 Spieler, 8 davon würden sich am Ende qualifizieren. Die vierte Partie spielte sie gegen Anton Belin, ungefähr genau so alt wie Lily. Auch er startete mit einer alten Wertungszahl ins Turnier, mittlerweile hat er die 1500 übersprungen und hätte damit sogar in der E-Gruppe spielen müssen. So aber kam es aber zum Showdown zweier Unterbewerteter in der untersten Gruppe. Hier half auch aller Kampfgeist nicht, Anton rechnete eine Kombination besser, Lily verlor eine Qualität und später auch die Partie. Vor der letzten Runde war aber dennoch klar, dass sie mit einem weiteren Sieg nach Magdeburg fahren würde. Diese Partie war dann vielleicht Lilys Beste. Nicht weil sie fehlerfrei war, tatsächlich verrechnete sie sich in der folgenden Stellung und hätte eine Figur verlieren können, sondern wegen der Stringenz ihres Spiels.

Welchen Zug wünscht sich Weiß hier aus strategischer Sicht zu spielen? Richtig, e4, welchen Lily auch zog. Sie rechnete allerdings die Kombination nicht weit genug, denn nach einer taktischen Abwicklung würde ein weißer Springer auf e4 hängen und die schwarze Dame könnte ihn schlagen. Das sah aber auch Lilys Gegner nicht und spielte das passive Sb8, wonach die schwarze Stellung im Eimer ist.

Am Ende also auch das Glück des Tüchtigen, auch vorher gab es einige brenzlige Situationen. Lily spielte aber über das ganze Turnier mutig nach vorne und das mit Erfolg! Belohnt wurde sie mit dem 3. Platz in der Frauenwertung (über alle Klassen!), dem  5. Platz in ihrer Gruppe, einem Geld- und Sachpreis, dem Qualifikationsplatz und einem DWZ-Plus fast 200 Punkten.

Auf dem Siegerpodest mit Melanie Müdder (die meine Gruppe gewann) und Lisa Nölle.

Die ersten acht der G-Gruppe. Ganz links der Sieger Anton Belin.

Nun stehen wir also vor der Herausforderung, unseren Terminkalender soweit frei zu räumen, dass wir Ende August zum Finale fahren können. Lily ist schon ganz aufgeregt und freut sich auf die Herausforderung!

Und was ist mit mir? Ja, ich habe auch mitgespielt (C-Gruppe). Die Partien schwankten wie üblich so zwischen „gut gesehen“ und „was habe ich mir denn dabei gedacht?“. Zur letzteren Kategorie gehört die Schlussstellung aus der letzten Runde, in der ich es nach einer völlig verpatzten Eröffnung tatsächlich einigermaßen unbeschadet ins Endspiel schaffte und in der folgenden Stellung nicht abwarten konnte Remis zu machten. War das der Stellung angemessen? Nein, war es definitiv nicht!

Ich spielte Kd6 und war froh, dass mein Gegner die Züge wiederholte. Was hätte ich wohl stattdessen spielen sollen? Ist einfach, ich weiß…Hätte ich sehen müssen, ich weiß…

Am Ende des Turniers hatte ich genau 50% (nach zwei Nullen am ersten Tag) und meine Wertungszahl damit verteidigt. Wozu quält man sich dann ein Wochenende am Brett? Richtig, weil Schachspielen total Spaß macht :-).