Es war wieder so weit: Willingen ruft! Mittlerweile ist die Reise über Pfingsten ins Sauerland schon fast familiäre Routine geworden. Lily hatte durch ihre Berufung in den Bundesnachwuchskader dieses Jahr schon im Dezember einen festen Startplatz bekommen und ging von der Setzlistennummer 4 aus ins Rennen. Es wurde für uns aber schon vor dem eigentlichen Turnierstart spannend, denn auf der Eröffnungsfeier wurde das Ergebnis zur Wahl zum Spieler des Jahres 2023 verkündet. Lily war neben drei weiteren Spielerinnen in der Kategorie U16w nominiert und gewann. Vielen Dank an alle, die für sie gestimmt haben!

Offizielles DSJ-Foto der strahlenden Gewinnerin!

Und noch einmal der Pokal mit ihrem gravierten Porträt. Wirklich sehr hübsch gemacht, ein Hingucker!

Einen Tag später ging es mit der ersten Runde los. Es ist immer wieder ein erhabenes Gefühl, durch den langen Tunnel in den großen Spielsaal zu kommen und Zeuge zu werden, wie die Spannung langsam ansteigt, bis die Bretter endlich freigegeben werden.

NRW war wieder das größte Team aller Landesverbände und auch mit Abstand das erfolgreichste. 153 Spieler errangen in 7 Altersklassen den Meistertitel. Alle anderen Länder kamen zusammen nur auf 8 weitere.

Lily spielte sehr gutes Schach, schaffte es aber nicht immer, ihre schachlichen Qualitäten auch in volle Punkte umzuwandeln. In Runde 3-5 gab sie jeweils einen halben Punkt ab. In der siebten Runde kam es dann zum Duell mit Audrey Tu, die sie in einer ausgeglichenen 5 Stunden Partie letztlich im Endspiel niederringen konnte.

Le3 sieht auf den ersten Blick nach einem logischen Zug aus, ist aber hier ein Fehler. Lily spielte c4 und konnte in der Folge ihre Figurenkonstellation entscheidend verbessern. Audrey hätte statt dessen selbst c4 spielen sollen, was die Stellung im Ausgleich gehalten hätte.

In der vorletzten Runde ergab die Auslosung das Duell mit Maria Bohatyrova. Mascha hatte bis dahin nur ein Remis abgegeben und somit einen ganzen Punkt Vorsprung, Lily musste also mit Schwarz unbedingt gewinnen. Wenn ihr das gelungen wäre, hätte sie Mascha einholen können und wäre vor der letzten Runde ganz nah am Meistertitel gewesen. Die Partie war sehr intensiv. Lily überspielte ihre Gegnerin positionell im Mittelspiel und erarbeitete sich eine objektiv gewonnene Stellung. Sie war aber in Zeitnot und konnte nicht alle Kandidatenzüge berechnen. Den Gewinner hatte sie daher nicht auf dem Zettel und am Ende verlor sie die Partie nach einem taktischen Fehler sogar noch. Manchmal werden Schachpartien, die mehrere Stunden dauern, in Sekunden entschieden. Sieht man eine Taktik oder sieht man sie eben nicht, da ist auch immer ein Quentchen Glück im richtigen Moment dabei. Mascha nutzte ihre Chance und stand nach dieser Runde als Deutsche Meisterin fest – Glückwunsch nach Erkenschwick an dieser Stelle. Conrad Schormann hat für seinen Youtube Kanal „Perlen vom Bodensee“ die Partie analysiert und sehr ausgewogen kommentiert. Vielen Dank dafür und Grüße an den Bodensee!

In der letzten Runde ging es dann statt um den Turniersieg nur noch darum, wer die weiteren Plätze auf dem Treppchen belegen würde. Lily wurde gegen Yueyi Chen gelost und spielte wieder voll auf Sieg. Sie überspielte wiederum ihre Gegnerin im Mittelspiel, ließ dann aber für einen kurzen Moment noch einmal „Luft in die Stellung“.

Hier hätte Schwarz die Chance gehabt die Partie ins Remis zu retten. Nach Tg4 hat Weiß die Wahl zwischen Dauerschach und Matt.

Die Chance ergriff Yueyi glücklicherweise nicht und spielte stattdessen Tg2, was immerhin droht, den f2 Bauern zu schlagen. Schwarz ist aber zu langsam. Lily lies einfach ihre Bauern laufen und gewann die Partie letztlich sicher. Die Buchholzlotterie sah für sie dann am Ende den fünften Rang vor, immerhin also noch ein Platz auf der Bühne bei der Siegerehrung und das Recht, die Jugend-EM im klassischen Schach zu spielen. Die Siegerehrung wurde live übertragen, Lilys Auftritt beginnt bei 1h:50Min.

Insgesamt ist der 5. Platz objektiv gesehen kein schlechtes Ergebnis, aber es wäre deutlich mehr drin gewesen. Lily hat einfach viel zu viele Chancen liegen gelassen, um am Ende ganz oben zu stehen. Sie weiß es selbst und es wurmt sie sehr. Nächstes Jahr wird ihr Seniorjahr in der Altersklasse U12w sein, dann muss es auch einfach mal klappen mit dem Deutschen Meistertitel. Spielerin des Jahres ist sie dieses Jahr schon geworden, ihr ist auch neben dem Brett in Willingen viel Anerkennung der Schachfreunde zu Teil geworden. Das tut gut, motiviert und wird sie hoffentlich bei den anstehenden internationalen Turnieren (Team-EM auf Rhodos, Einzel-EM in Prag) beflügeln.

Vielen Dank an dieser Stelle noch an Lilys Sponsor, der Ofenakademie. Alle weiteren Infos über die Deutsche Jugendmeisterschaft gibt es auf dem Portal der Deutschen Schachjugend.